Frauen und Politik, ein Widerspruch in sich? Seit den ersten Frauenbewegungen im 18. Jahrhundert sind Frauen weiterhin mehr die Ausnahme auf der politischen Bühne. Erst eine lange Zeit nach der Verabschiedung des aktiven und passiven Frauenwahlrechtes in Deutschland (1918) und in Frankreich (1945) nimmt 2005 endlich eine Frau das Amt des Regierungsoberhauptes wahr. Erwähnenswert bleibt der in den 1930er Jahren amtierende Front populaire, dessen Regierungskabinett noch vor der Verabschiedung des französischen Frauenwahlrechtes drei Frauen bekleideten. Darüber hinaus wird mit Edith Cresson 1991 erstmals eine Frau französische Regierungschefin – und bis heute auch die einzige französische Premierministerin. Indes wird in Deutschland gute 70 Jahre später Angela Merkel Kanzlerin und prägt somit die Verwendung der weiblichen Amtsbezeichnung. Obwohl die inzwischen ehemalige Vorsitzende der christdemokratischen Union immer auf die Wichtigkeit der Gleichstellung in allen Lebensbereichen hingewiesen hat, hat die von ihr getragenen liberale Politik nach 15 Jahren die Prekarität der Arbeitnehmerinnen weiter verstärkt und somit die Situation der Frauen verschlechtert.
Das in Frankreich im Jahre 2000 verabschiedete Paritätsgesetz sollte der Unterrepräsentation der Frauen in der Politik ein Ende setzen. Dieses zielt darauf ab, den Frauen einen gleichberechtigten Zugang zu Wahlämtern und Regierungsposten zu garantieren, indem die Parteien dazu verpflichtet werden, ihre Listenplätze paritätisch mit Frauen und Männern zu besetzen. Verstöße von Parteien sollten einzig (!) mit Geldstrafen geahndet werden. Nichtsdestotrotz ist Frankreich 2019 mit einem Frauenanteil von 52,9 % in Regierungsverantwortung weltweit auf den 10. Platz von 190 Ländern, wohingegen Deutschland mit einem Frauenanteil von nur 40 % auf den 26. Platz fällt. Trotz dieser auf die Bundesebene bezogenen Positionierungen bilden Frauen die Minderheit im Kabinett. Außerdem stammen sie meistens aus der priviligierten sozialen Schicht. In den letzten Jahren waren nur 9 % der deutschen Bürgermeister:innen Frauen, wohingegen sich der Anteil in Frankreich auf 16 % erhöhte. Gewiss hat sich der Frauenanteil im französischen Parlament nach den Nationalwahlen 2017 auf 39,5 % steigern können. Auf deutscher Seite ist der Anteil von 36,8 % im Jahre 2013 jedoch auf 31,2 % nach den Bundestagswahlen 2017 gesunken. Die aus der Soziologie stammende Metapher der „gläsernen Decke“ ist auch in der Politik vorhanden und hält sich in allen Bereichen; selbst nach der Verabschiedung des französischen Paritätsgesetzes, das einige Parteien sogar zu umgehen versuchen. In Thüringen und Brandenburg ist ein Gesetzesvorhaben nach französischem Vorbild sogar von den Landesverfassungsgerichten als verfassungswidrig eingestuft worden.
Auch wenn Frauenquoten bei Wahlen ein gutes Mittel der positiven Diskrimination darstellen, bleiben Frauen eine Minderheit in der Politik. Es ist nicht einfach, hunderte Jahre patriarchalischer Repräsentationen wiedergutzumachen. Selbst heutzutage werden Frauen eher in der Rolle als Hausfrau gesehen als in der Chefetage oder in politischen Debatten. Neben der erforderlichen Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen gilt es, die Verteilung von Haushaltsaufgaben zu überdenken, um Frauen mehr Zeit zu geben, sich im politischen Leben zu engagieren und auf diese Weise der Gleichberechtigung Vorschub zu leisten.
Florian Braun (MA Romanistik, Politikwissenschaft) & Dr. Caroline Mary (Projektinitiatorin)